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Die Déesse ruft und wie immer ist es keine Einladung zum Wellnesswochenende.

von AUDAX (Suisse) Papi aka Thomas B.

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Explore. Discover. Dream. Bike.
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iM sATTEL DIE WELT ERKUNDEN

Dritte REKOTOUR BRM 1000 DÉESSE

 

"Wer Anfang September 2026 der Déesse folgt, begibt sich nicht auf eine gewöhnliche Reise. Er verlässt das Rauschen der Welt, um über einsame Strassen durch das wilde Italien und Frankreich zu reiten: geführt vom ersten Licht, geprüft in der Nacht, belohnt am Meer. Es ist kein Trip für Selfies. Es ist eine Pilgerfahrt für jene, die den Ruf der Déesse hören. Und ihm folgen. Kein All-Inclusive. Aber alles, was zählt."

--- AUDAX (Suisse) Papi aka Fürst der Finsternis

 

 

 

27. Oktober 2025

Text: AUDAX (Suisse) PAPI aka FÜRST DER FINSTERNIS aka THOMAS B.

Photos: ANTONIO P. aka EL ANDALUZ, FÜRST DER FINSTERNIS

PROLOG - DIE GÖTTIN RUFT

Manche Brevets kündigen sich an wie ein kleiner Wetterwechsel. Ein bisschen Wind, ein paar Wolken und plötzlich stehst Du mitten im Gewitter. Andere wiederum fühlen sich an wie ein göttlicher Ruf: klar, unmissverständlich, tief in Deinem Innersten. Die Déesse ruft nicht laut. Sie flüstert. Und wer hinhört, hört kein GPX-Ping, sondern ein göttliches "Komm."

 

Es ist September. Die Saison neigt sich langsam dem Ende zu. Während sich viele in Decken kuscheln und an Pumpkin Spice Latte nuckeln, packen ein paar Unverbesserliche ihre Taschen: Die dritte Reko-Tour für das BRM 1000/600 DÉESSE steht an. Von Lugano ans Mittelmeer. 1’019 km. 13’432 Höhenmeter. Vier Erkundungstage, um der Göttin zu folgen und um herauszufinden, ob man es schafft, auf stillgelegten Bahntrassen zu meditieren, in piemontesischen Dörfern Espresso zu inhalieren und nachts in der Provence mit Schafherden und Hirtenhunden zu verhandeln, als hätte man bei "Bauer sucht Frau" unterschrieben.

 

Der Startort könnte nicht passender sein: die ASSOS Boutique in Lugano. Pilgerstätten gibt es viele, aber hier beginnt eine Reise, die am Hafen von Cassis enden wird. Und während andere noch mit dem Wetterbericht hadern, rollen wir schon los. Toni und der AUDAX Papi, bewaffnet mit GPX, Neugier und im Fall von Toni mit deutlich zu viel Gepäck. Aber dazu später mehr.

 

rekoTag 1 - lugano bis turin

"Vom Tessin in die Po-Meditation"

 

Der erste Tag ist ein Versprechen: Wenn Du in Lugano losfährst, wird Dich die Déesse nicht sofort prügeln. Sie wird Dich langsam, fast liebevoll hineinziehen. Die ersten Kilometer führen über die Grenze bei Ponte Tresa nach Italien. Der Asphalt glänzt, die Luft riecht nach spätem Sommer und Deine Beine sind noch frisch. Es ist der Moment, wo jeder denkt: "Das wird grossartig." (und keiner ahnt, dass er irgendwann mit einem halben Zoo kurz vor Mitternacht in den Ring steigt.)

Hier beginnt die Meditation ohne Gong.
Hier beginnt die Meditation ohne Gong.

 

Die Strecke führt entlang von stillgelegten Bahntrassen, fein asphaltiert, baumumsäumt, still. Es ist, als hätte jemand einen meditativen Schnellzug gebaut ... nur ohne Zug. Hier kannst Du Dich einrollen, atmen, die Göttin hören. Kein Verkehr, keine Hektik, nur das rhythmische Surren der Reifen. El Andaluz fährt voraus, schwer beladen. Er lächelt noch. Der AUDAX Papi ebenfalls. Noch.

 

Bei Kilometer 57 öffnet sich die Sicht auf den Lago di Varese.

Noch lacht der Himmel. Und Toni auch.
Noch lacht der Himmel. Und Toni auch.

ticino - flussfahrt in die ebene

Wenig später erreicht man den Ticino. Der Veloweg verläuft flach, schnell und fast verdächtig perfekt dem Fluss entlang. Fast zu schön, um wahr zu sein. Ab und zu rumpelt es, nur zur Erinnerung, dass Komfort hier eigentlich Hausverbot haben sollte. Und wer da schon jammert, sollte besser Stricken. Oder Wandern. Aber sicher nicht mit den DIAbLES RoUGES.

Natur. Ruhe. Und ein Cumulus-Schlafsack irgendwo da drin.
Natur. Ruhe. Und ein Cumulus-Schlafsack irgendwo da drin.

Der Abschnitt bis Turbigo ist ein Genuss: Du rollst, Du denkst nach, Du wirst eins mit dem Fluss. Wenn Meditation ein Strava-Segment hätte, es wäre mitunter hier.

 

"Wer am Ticino schon jammert, sollte lieber schnurstracks Stricken gehen."

--- Der Fürst der Finsternis

  

vercelli (urbaner expresso & wochenmarkt) und medidative Po-Ebene

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Km 161: Vercelli. Piazza mit Wochenmarkt und Espressoduft

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Km 185: Po-Ebene. Meditative Wellnessoase mit Drama am Horizont

 


Die Fahrt durch die italienischen Altstädte ist kein Sprint, sondern ein Bummel. Hier geht es nicht um Watt, sondern um Atmosphäre. Du gleitest durch die Plätze, siehst Marktstände, riechst Brot, Kaffee, Käse und beginnst langsam zu verstehen: Dieses Brevet bzw. diese Prüfung sind nicht einfach 1’000 Kilometer. Es ist ein Trip durch Welten. Ticino, Lombardei, Piemont ... alles am ersten Tag.

 

"Eile nicht, Sterblicher. Ich zeige Dir Welten, nicht Wattzahlen."

--- Die Déesse

 

Kurz nach den Toren von Vercelli hat Caesar 101 v. Chr. eine glorreich gigantische Schlacht gewonnen. Heute erinnert nichts daran. Kein Schild, kein Denkmal, kein Fanfarenhall. Nur der Asphalt, der glüht und ein Rückenwind, der Dich trägt, als hätte Caesar persönlich seinen Legionen befohlen, Dich voranzuschieben.

 

turin - cp1: Fausto coppi denkmal

Irgendwann öffnet sich die Sicht auf die Stadt Turin: würdevoll, geschichtsträchtig, leicht verkehrswirrig, wenn man es falsch taktet ... aber es lohnt sich.

Bella Torino.
Bella Torino.
Fausto schaut runter. Der AUDAX Papi schaut hoch. Toni sucht WLAN.
Fausto schaut runter. Der AUDAX Papi schaut hoch. Toni sucht WLAN.

 

Ein stiller Moment. Wer hier steht, spürt Geschichte. Coppi, der "Campionissimo". Wer die Déesse fährt, tritt in eine Linie ein ... nicht der Schnellsten, sondern der Hartnäckigsten.

 

El Andaluz kämpft inzwischen nicht mit der Strecke, sondern mit seiner Packliste. Sein Setup sieht aus wie eine Mini-Expedition zum Nordpol. Es ist Tag 1. Der AUDAX Papi weiss: "Das wird noch interessant." Liebe durch Schmerz, nur so lernt man Randonneur zu werden, auch er.

Tagesfazit

Der erste Tag war ein sanfter Einstieg. Wer den 600er Lugano–Cannes anpeilt, bekommt hier eine Ahnung: Diese Strecke ist kein Sadist. Sie ist ein Lehrer. Sie zieht Dich rein, lässt Dich atmen, zeigt Dir Schönheit, bevor sie Dich in den Alpen verhältnismässig freundlich prüft. Solange Du nicht auf die Idee kommst, die Ligurische Grenzkammstrasse als Bonus einzubauen, bleibt dieser 600er eine vielseitige, faire und sogar charmante Prüfung. Flach, freundlich, kulturell reich: Ticino, Lombardei, Piemont ... alles an einem Tag. Und am Ende wartet Turin. Espresso. Pizza. Fausto Coppi.


RekoTag 2 - Turin-San remo

Wenn Rekotag 1 eine Einladung war, dann ist Tag 2 der Moment, in dem die Déesse lächelt ... und dann irgendwann den kleinen Dolch zückt. Am Morgen verlässt man Turin. Die noble Stadt liegt hinter einem, der Po verabschiedet sich, die Espresso-Dichte sinkt, der Asphalt bleibt gnädig flach. Kaum ist man ausserhalb des Verkehrs, öffnen sich die Hügel in der Ferne wie ein Bühnenvorhang: endlose Weite, kaum Autos, feine Asphaltstrassen, ein leichter Dunst hängt über den Feldern. In der Ferne zeichnen sich die Konturen der Alpen ab ... dort wartet irgendwo die nächste Prüfung ans Mittelmeer. Der Weg führt weiter tief ins piemontesische Hinterland, jedoch noch nicht dorthin, wo GPS-Tracks wie Versprechen aussehen und Steigungen sich benehmen wie Priester in der Beichte: freundlich, aber unerbittlich.

 

Der Himmel ist klar, die Temperatur perfekt. Es wird heute bestimmt einer dieser Tage, an denen die Déesse nichts sagt. Sie schaut einfach zu, ob Du bereit bist.

 

El Andaluz fährt hinter dem AUDAX Papi. Der Rucksack auf seinem Rücken wiegt ungefähr so viel wie ein mittleres Beichtgeheimnis. Der AUDAX Papi wirft einen Blick zurück. Toni grinst. Das Grinsen eines Novizen, der noch nicht ahnt, was mit der ligurischen Grenzkammstrasse noch als Delikatesse ansteht. 

Cuneo am Morgen: Espresso, Kopfsteinpflaster und der leise Verdacht, dass es heute kein Spaziergang wird.
Cuneo am Morgen: Espresso, Kopfsteinpflaster und der leise Verdacht, dass es heute kein Spaziergang wird.

optionale zusatzschlaufe ab cuneo

ligurische grenzkammstrasse

 

"Für jene, die glauben, 1’019 Kilometer seien nur der Anfang."

 

Manche (... also ... hüstel, hüstel ... der Fürst der Finsternis) nennen sie "optional". Andere nennen sie "Wahnsinn mit Aussicht". Die Ligurische Grenzkammstrasse ist keine Zusatzschlaufe, sie ist eine Prüfung. Irgendwo zwischen göttlicher Panorama-Achterbahn und materialmordendem Schotterinferno.

 

Wer hier abbiegt, betritt kein Strava-Segment. Er betritt eine Episode, die man später mit glasigem Blick und staubverkrusteten Schuhen erzählt. In diesem Wahnsinn trifft man manche Entscheidungen mit voller Überzeugung. Andere trifft man nach zu wenig Schlaf und einem überdosierten Espresso. Die Idee, die Ligurische Grenzkammstrasse mit 35 mm Finken, Aerobars und Rennveloschuhen zu fahren, fällt definitiv in letztere Kategorie.

 

Die Abzweigung zur Kammstrasse wirkt harmlos: Ein kleines Schild, ein unscheinbarer Weg. Und plötzlich findest Du Dich auf einer Route wieder, die aussieht, als hätte jemand die Alpen mit einem Panzerstrassenschaber gezeichnet. Links Abgrund, rechts Felswand oder umgekehrt. Dazwischen: Du und Deine weissen Schuhe.

Links das Ende, rechts die Ewigkeit und dazwischen Du, mit dem unbeirrbaren Glauben, dass das was später kommt noch als Weg zählt.
Links das Ende, rechts die Ewigkeit und dazwischen Du, mit dem unbeirrbaren Glauben, dass das was später kommt noch als Weg zählt.

 

Ja, weisse Schuhe.
Der AUDAX Papi hatte an diesem Tag beschlossen, die guten, die blitzblanken anzuziehen. Warum? Vielleicht göttliche Eingebung, vielleicht einfach Dummheit. Nach wenigen Kilometern sahen sie aus, als hätte man damit 12 Stunden in einer Feuerstelle getanzt. Der Staub, der Dreck, der feine Kies ... nichts davon geht je wieder raus. Diese Schuhe sind Geschichte. Das Gute: es reut ihn nicht, er trägt sie weiterhin mit Stolz.

 

Enduro-Blick & Cleat-Rasseln

Oben auf dem Kamm begegnet man Wesen, die aussehen wie aus einem anderen Sport: Endurofahrer. Vollvisierhelme, Knieprotektoren, Federwege, die ganze "Ich lebe für den Drop"-Attitüde. Wenn Du da mit Gravelbike, Aerobars und Cleats auftauchst, schauen sie Dich an wie einen Wanderprediger in der Techno-Afterhour. Eine Mischung aus Mitleid, Faszination und leiser Hoffnung, dass Du live vor ihren Augen stirbst. Du klickst aus "krrrk-klack-klack" und sofort rutscht ein Schuh auf losem Geröll weg. Die Enduro-Jungs nicken. Sie wissen: Wenn Du stehst, bist Du verloren.

 

Der Kamm – Ein göttlicher Härtetest

Die Ligurische Grenzkammstrasse ist kein Veloweg. Sie ist ein Härtetest mit Aussicht. Mal liegt feinster Schotter wie Glitzerstaub über dem Kamm, mal sieht der Weg aus, als hätte Poseidon persönlich mit der Picke gewütet. 35 mm Reifen? Das ist kein Setup. Das ist ein Glaubensbekenntnis. Schieben verboten, rote Linie zu erkennen Pflicht. Aerobars? Völlig nutzlos. Cleats? Ein Witz. Deine Schuhe? Weisser Staub trifft schwarzen Humor. Die Sonne brennt. Der Wind pfeift. Und irgendwo da oben lacht die Déesse leise.

 

Die Abfahrt – Flickwerk der Hölle

Dann kommt die sehnlichst erwartete Abfahrt. Und sie ist ein Kapitel für sich. Zuerst denkst Du: "Ach, das geht ja." Der Belag ist ein chaotisches Flickwerk, aber fahrbar. Dann wird Dir klar: Jede Kurve ist ein Rätsel. Jeder Meter Asphalt ist wie ein alter Teppich, der gleich reissen könnte. Du hängst auf den Bremsen. Deine bereits traumatisierten Finger fangen unverhofft wieder an zu brennen. Nach 5 Minuten hast Du das Gefühl, sie faulen Dir ab. Und dann ... plötzlich ... wird der Belag neu. Perfekt. Glatt. Schnell. Du hörst förmlich, wie Dir ein Stein vom Herzen fällt. Du öffnest die Bremse. Endlich. Ein heiliger Moment der Erlösung.

 

Bis zur siebten Kurve. Mit 60 Sachen schiesst Du aus der Kurve in eine Sollbruchstelle vom Feinsten: Asphalt und dann BÄM! ein Kiesbeet, wie gemacht für Katapultstarts in die Botanik. Du fliegst nicht. Du springst. Und Du schreist innerlich Dinge, die nicht ins Roadbook passen.

 

San Remo: Der Feenstaub-Moment

Wer glaubt, das Leiden ende mit der Abfahrt, hat diese Route nie gefahren. Nach Stunden auf dem Kamm kommst Du irgendwann in San Remo an. Also ... Du kommst an. Dein Velo kommt an. Dein Material kommt an. Deine Würde bleibt irgendwo zwischen Kehre 47 und dem zweihundertvierundachzigsten Schlagloch auf der Strecke. Du rollst in den Bianchi Bikeshop. Der Mechaniker schaut Dich an, als wärst Du direkt aus Mordor geradelt. Dein Edelcarbonpferd ist überzogen mit einer Schicht Feenstaub aus Dreck, Schweiss, Alpenkräuter und Schotter. Du fragst nach etwas Öl für die Kette und einem neuen Sattel. Er schweigt. Du erklärst, der Sattel müsse ersetzt werden, weil er durch die Erschütterungen aufgegeben hat. Er schaut Dein Velo und den zerrissenen Sattel an. Dann Deine Aerobars und Deine dreckig verschwitzten Beine. Dann Deine weissen (jetzt aschegrauen) Schuhe. Sein Blick sagt alles: "Ma che cazzo?" (auf deutsch: Was zur Hölle). Die knappe Zauberantwort gibst Du gleich selbst: "Alta Via del Sale" und der Respekt und das Raunen in der Werkstatt sind unbezahlbar. Deine Wünsche erfüllen sich danach von alleine.

 

Warum es trotzdem bleibt

Diese Schlaufe ist kein "Bonus". Sie ist ein göttlicher Stresstest. Sie kostet Körner, die Du eigentlich für den Rest der Strecke brauchst. Sie erfordert Fahrtechnik, die Du auf 1'000 Kilometer Asphalt garantiert nie brauchst oder je gebraucht hast. Sie sorgt dafür, dass Endurofahrer Dich photografieren. Und sie macht Deine weissen Schuhe endgültig zu archäologischen Artefakten. Der AUDAX Papi hat lange überlegt, ob man die Ligurische Grenzkammstrasse ersetzen sollte. Nach dieser Erfahrung war die Antwort klar: Ja, aber als Option muss sie bleiben. Nicht, weil sie höllisch angenehm ist. Sondern weil sie einzigartig ist. Wer sie fährt, hat etwas, das man nicht planen, trainieren oder googeln kann: eine kleine, absurde, heroische Episode mitten im Brevet. Aber: Diese Option ist definitiv NICHTS für Normalsterbliche. Sie ist freiwillig, aber nicht verhandelbar. Wer hier abbiegt, sollte ein kampferprobter Mountainbiker oder zumindest etwas lebensmüde sein. Für alle anderen gibt es die attraktive Standardroute, welche in Cuneo eine Abzweigung früher nach links führt. Eine Abzweigung, die matchentscheidend ist.

 

"Manche Wege fährt man nicht, weil sie klug sind. Sondern weil sie da sind."

--- Fazit der Déesse

 


standardroute ab cuneo

colla di casotto - die erste prüfung

Je weiter man nach Süden rollt, desto einsamer wird es. Hinter Mondovì beginnt der Anstieg zum Colla di Casotto, einem Pass, der nicht besonders hoch, aber ehrlich ist. Die Steigung zieht sich durch Wälder, die Strasse windet sich ohne Ablenkung und beinahe verkehrsfrei nach oben. Hier gibt es keine Cafés, keine Patisserien. Nur Dich, Deine Gedanken und den gleichmässigen Tritt.

 

Die Déesse schaut genau hin: Wer hier überzieht, bekommt später die Quittung. Wer ruhig bleibt, wird mit einem Moment belohnt, der nicht in Watt messbar ist. Der AUDAX Papi fährt vorn, gleichmässig, konzentriert. Toni beginnt zu schweigen. Ein gutes Zeichen. 

Versteckt zwischen Felsen in Ligurien, wo das Licht leise flüstert. Ein Ort, den nur jene finden, die wirklich unterwegs sind.
Versteckt zwischen Felsen in Ligurien, wo das Licht leise flüstert. Ein Ort, den nur jene finden, die wirklich unterwegs sind.

colle di caprauna - wo die beine das reden übernehmen

Nach einer kurzen Abfahrt folgt der Colle di Caprauna: eine abgelegene Passage, die wie ein vergessenes Kapitel in der Geschichte der Route liegt. Die Strasse wird schmal, die Bäume rücken näher zusammen, die Luft verändert sich. Es ist, als würde die Déesse leise flüstern: "Komm näher, hier trennt sich das Spielfeld von der Pilgerfahrt."

 

Und dann erscheint sie fast unvermittelt, wie eine Prüfung, die nie angekündigt wurde: eine kurze Schotterabfahrt. Eine helle Staubspur inmitten des Feldwegs, ein kleiner Riss in der Komfortzone. Wer hier hinabrollt, spürt sofort: Das ist kein Umweg. Das ist Absicht. Um die Super Strada zu umgehen, führt kein anderer Weg hier vorbei. 35 mm Reifen sind keine Modefrage, sondern ein stilles Bündnis mit der Strecke. Der Kies knirscht, der Wind rauscht und für einen Moment wirkt es, als würde die Déesse selbst zuschauen, ob Du als Standardroutenindianer den Mut hast, weiterzufahren.

Wer hier bremst, bremst den göttlichen Flow
Wer hier bremst, bremst den göttlichen Flow

 

Es ist einer dieser Momente, in denen man begreift: Dieses Brevet wurde nicht gebaut, um Zeit zu sparen. Es wurde gebaut, um Geschichten zu schreiben.

 

colle d'oggia - die göttliche rampe

Die Höllenkommandoveteranen von der Ligurischen Grenzkammstrasse tauchen am Fuss des Colle d’Oggia wieder auf: staubig, zäh und ein bisschen erleuchtet. Dort vereint sich das Rudel, um gemeinsam den sanftmütigen, aber eigensinnigen Colle d’Oggia zu bezwingen. Checkpoint auf 1’157 m ü. M. Die Rampe zieht sich geduldig durch die Wälder, die Luft wird kühler, der Verstand leiser. Kein Pass für Ruhm und Ehre ... nur für jene, die wissen, dass Charakter keine Steigung scheut.

Manche legen am Checkpoint Blumen nieder. Andere ihr Bike.
Manche legen am Checkpoint Blumen nieder. Andere ihr Bike.

 

Oben: Stille. Kein Verkehr. Nur die Gewissheit, dass ab hier eine der schönsten Abfahrten des gesamten Brevets wartet. Die Déesse lächelt. Wer hier oben steht, hat die erste grosse Prüfung der Déesse bestanden.

 

abfahrt nach san remo - das geschenk

Dann kippt die Strasse. Die Abfahrt nach San Remo ist kein Strava-Segment. Sie ist eine Offenbarung. Kurve um Kurve frisst man Höhe, bis die ersten Palmen auftauchen. Plötzlich wechselt die Szenerie: Von Gebirge zu Meer, von Tannen zu Orangenbäumen, von Schweiss zu salziger Brise.

Wer am Mittelmeer ankommt, weiss: Die Déesse bestraft nicht nur. Sie belohnt königlich.
Wer am Mittelmeer ankommt, weiss: Die Déesse bestraft nicht nur. Sie belohnt königlich.

 

San Remo empfängt Dich mit Strand, Licht und dem Gefühl, einen inneren Kreis durchbrochen zu haben. Rekotag 2 endet dort, wo die Berge ins Meer kippen. Die Göttin spricht nicht, aber jeder spürt: "Du bist einen Schritt weiter."

Kalorientempel entlang der Strecke
Kalorientempel entlang der Strecke

 

„Ob kalte Winde auf den Passhöhen oder brennende Hitze in der Ebene. Ich weiss immer, dass ich stets am richtigen Ort bin. Kein Wellnesshotel, kein WLAN. Nur Strasse, Schweiss und dieses herrlich bekloppte Gefühl des inneren Friedens."

--- AUDAX Papi aka Fürst der Finsternis

 

 

tagesfazit

Rekotag 2 ist das Gegenstück zum meditativen Einrollen des ersten Tages. Hier beginnt der eigentliche Initiationsritus. Wer in San Remo ankommt, ist nicht einfach angekommen. Er hat eine Schwelle überschritten.

 

Toni rollt ein, schweissgebadet, Gepäck leicht umsortiert. Der Blick: ernst, leicht verklärt, ein Hauch von Demut. Der AUDAX Papi nickt. Die Déesse lächelt.

 


tag 3 San remo - Gorge du verdon

"Zwischen göttlicher Verführung und nächtlicher Prüfung"

 

Der Morgen in San Remo riecht nach Meer, Salz und einem leisen Triumph. Wer es über die Berge geschafft hat, wacht hier mit dem Gefühl auf, einen heimlichen Pakt mit der Déesse geschlossen zu haben. Sie hat geprüft und wird nicht alle durchlassen. Wer aber am Morgen an der Küste weiterrollt, spürt es sofort: Die Göttin lächelt. Und das ist selten ein gutes Zeichen.

 

san remo und der pilgertunnel

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Die Decke erzählt Geschichten. Du rollst mittendurch wie ein Staubkorn im Mythos.

 

Gleich hinter San Remo wartet ein legendärer Velotunnel, einst Bahnlinie, heute ein langes Asphaltband für Randonneure. Die Namen der Milano–San Remo-Sieger hängen an der Decke wie Sterne im nächtlichen Pantheon: Coppi, Merckx, Sagan und viele mehr.

 

Hier tritt man nicht einfach, man gleitet durch Jahrzehnte Velosport. Der Tritt wird rund, der Puls gleichmässig. Toni ruft: "Merckx!", der Hall trägt seinen Namen wie eine Hymne. Ein guter Start in einen grossen Tag.


MENTHON - DIE sCHWELLE DER DÉESSE

Hinter Bordighera öffnet sich der Blick auf Menthon, den letzten italienischen Hafen vor der französischen Riviera. Die Luft verändert sich. Plötzlich riecht sie nach Parfum, Superyachten und frisch gewachsten Ferraris.

Dort hinten: Versuchung, Sonne und eine Steuerquote nahe Null.
Dort hinten: Versuchung, Sonne und eine Steuerquote nahe Null.

 

Der Grenzübertritt in Menthon ist unspektakulär, aber symbolisch. Hier endet Italien. Hier beginnt das Reich der Verführerin. Die Strecke schmiegt sich ans Meer, der Asphalt glänzt, der Verkehr wird dichter und gleichzeitig beschwingter. Die Côte d’Azur zieht die Fahrer an wie eine glänzende Münze im Brunnen.

 

monaco - das schaufenster der göttin

Dann kommt Monaco. Und Monaco ist ... Monaco. Ein Schaufenster menschlicher Eitelkeit, ein Amphitheater aus Beton und Geld. Die Strasse windet sich in engen Kurven am Hang, die Aussicht auf die Bucht ist absurd schön.

Monaco: Das einzige, was hier für das Portemonnaie ein Witz ist, ist der Steuerbescheid
Monaco: Das einzige, was hier für das Portemonnaie ein Witz ist, ist der Steuerbescheid

 

Hier rollt man nicht, man wird gesehen. Jeder Tritt klingt wie ein Scheinwerfer. Die Déesse stellt ihre Auserwählten auf die Bühne:

 

"Kannst Du auf der Bühne des Lichts, des Glanzes und der Ablenkung Du selbst bleiben: ruhig, fokussiert, bescheiden oder lässt Du Dich vom Schein verführen? Oder machst Du gleich ein Selfie?"

 

Der AUDAX Papi tritt gleichmässig. El Andaluz schaut mit grossen Augen. Die Côte d’Azur ist schön. Und schön kann gefährlich sein.

 

la turbie - mirador monte carlo

Hinter Monaco beginnt die Auffahrt nach La Turbie. Die Kehren schrauben sich in die Höhe, die Stadt fällt zurück, das Meer versinkt im Dunst. Oben, am Mirador, gibt es einen Moment des Innehaltens: Checkpoint, Aussicht, Espresso.

Die Déesse schaut von oben. Und unten parkt ein Bugatti.
Die Déesse schaut von oben. Und unten parkt ein Bugatti.

nizza - antibes - cannes: das schnelle band

Von La Turbie geht es zurück ans Meer. Nizza empfängt mit Strandduschen, Palmen und Menschen, die glauben, Velofahrer seien ein Strassenzirkus.

Wer hier ankommt, riecht plötzlich nach Salz statt nach Schweiss.
Wer hier ankommt, riecht plötzlich nach Salz statt nach Schweiss.
Alte Stadtmauer von Antibes: Ein Moment, in dem man vergisst, wie weit man noch muss.
Alte Stadtmauer von Antibes: Ein Moment, in dem man vergisst, wie weit man noch muss.
Cannes: verlockende Sandstrände
Cannes: verlockende Sandstrände

 

Der Abschnitt über Antibes nach Cannes ist flach, schnell und hypnotisch. Der Asphalt ist perfekt, das Meer glitzert stets zur Linken. In Cannes, beim Palm Beach, liegt der nächste Checkpoint bzw. für einige das ersehnte Ziel. Die Sonne neigt sich, das Licht wird weich. Die 600er Fahrer stoppen hier, heben ein Glas Rosé, beenden den Tag. Aber für die 1000er Höllenkommandoveteranen kennt das Brevet keine mondänen Pausen. Sie füllen hier nur kurz Wasser nach, dann geht es weiter ins Inland.

 

abschied vom meer - auf ins dunkel

Kaum lässt man die Küste hinter sich, verändert sich die Welt. Die Strassen werden schmaler, die Häuser rarer, die Luft kühler. Die Sonne sinkt und mit ihr auch die Gewissheit. Vor einem liegt die Gorges du Verdon, ein monumentaler Einschnitt in die Erde. Schön, abgelegen und gnadenlos zugleich.

 

Die Déesse lächelt nicht mehr. Sie schweigt. Und das ist immer das Zeichen, dass etwas kommt.

 

nachtfahrt - der atem der schlucht

Mit Einbruch der Dunkelheit beginnt die Fahrt in Richtung Gorges du Verdon. Die Sterne treten hervor, die Temperaturen sinken, der Rhythmus wird leiser. Keine Autos mehr. Kein Meer. Nur Dunkelheit, Fels und das gleichmässige Klackern der Kette. Wer hier fährt, tritt nicht nur, er tritt nach innen. Jeder Kilometer fühlt sich an wie ein Schritt in einen Tempel, der kein Dach hat. Toni fährt still. Der AUDAX Papi schaut in die Dunkelheit. Irgendwo da draussen wartet die nächste Prüfung. 

 

die prüfung der hirtenhunde

Gegen 23 Uhr. Die Strasse windet sich tief in die Schlucht hinein. Plötzlich: ein Rauschen, ein tiefes Grollen. Der Lichtkegel trifft auf eine Schafsherde: hunderte Tiere, mitten auf der Fahrbahn. Die Nacht ist still, aber ihre Augen leuchten wie Sterne. Der Geruch von Schafsexkrementen steigt von der Strasse langsam in die Nase.

 

Und dann erscheinen sie: Vier Hirtenhunde, riesig, weiss, wachsam. 

Kein richtiges Photo, nur Erinnerung: Wenn die Nacht Hunde schickt, bist du nicht mehr im Training. Du bist erneut in der Prüfung.
Kein richtiges Photo, nur Erinnerung: Wenn die Nacht Hunde schickt, bist du nicht mehr im Training. Du bist erneut in der Prüfung.

 

Die Hunde stellen sich in den Lichtkegel wie Torwächter. Knurren tief. Keine Chance durchzukommen. Die Schlucht ist eng, kein Ausweichen möglich. Es ist, als hätte die Déesse selbst eine Schranke errichtet. Toni und der AUDAX Papi steigen ab. Die Hunde starren und knurren weiter. Minuten verstreichen. Dann noch mehr. Die Herde bewegt sich nicht. Der Weg ist blockiert, wie ein göttliches "Noch nicht".

 

Also: Rückzug. Ein paar mühsam erarbeitete Kilometer bergab. Powernap am Strassenrand. Toni legt sich ins Gras, der AUDAX Papi auf die Kieselsteine auf dem Feldweg. Über ihnen Sterne. Einiges weiter weg die Höllenhunde mit ihren Schäfchen.

 

Sechs Stunden später, im Morgengrauen, ist die Strasse frei. Kein Blöken, kein Knurren. Nur der Wind in der Schlucht.

 

Die Déesse hat gesprochen: Prüfung bestanden. Weiter.

 

Tagesfazit

Highlight: Hirtenhundeprüfung

Seelenzustand: leicht erschöpft, seltsam wach

 

Rekotag 3 war keine normale Etappe. Es ist eine Initiation. Die Côte d’Azur verführt, das Meer trägt, die Schlucht prüft. Wer hier ankommt, ist nicht mehr derselbe, der morgens in San Remo losgefahren ist.

 


tag 4 gorges du verdon - cassis

"Der letzte Akt"

 

Der Morgen über der Gorges du Verdon ist still, fast unwirklich. Nebelschwaden hängen über dem Fluss wie zerrissene Schleier, die Sonne zögert, den Horizont zu überqueren. Die Strasse liegt leer, als hätte die Nacht sie poliert. Wer hier losfährt, trägt den Staub der Prüfung vom Vortag noch in den Kleidern und das Wissen, dass jetzt etwas Neues beginnt.

Manche Checkpoints stempeln Dich. Manche verändern Dich.
Manche Checkpoints stempeln Dich. Manche verändern Dich.

die langsame öffnung der welt

Die Strasse steigt sanft aus der Schlucht empor. Kein brutaler Pass, keine Attacke. Nur ein stetiger, rhythmischer Aufstieg durch Wälder, die nach Morgentau und Erde riechen. Mit jedem Höhenmeter wird die Landschaft weiter, das Tal befindet sich immer weiter unten, die Gedanken werden leichter ... jedoch nur solange man genügend Wasser und Essen mitführt in dieser absoluten Abgeschiedenheit.

 

Toni rollt munter mit, die Beine ruhig, der Blick wach. Es wird nicht gesprochen. Es gibt nichts zu sagen. Die Nacht war laut genug.

Wenn der Kaffee fehlt, macht die Sonne den Job.
Wenn der Kaffee fehlt, macht die Sonne den Job.
Hier endet die Schlucht. Hier beginnt das Flüstern der Provence.
Hier endet die Schlucht. Hier beginnt das Flüstern der Provence.

 

Je weiter man nach oben kommt, desto mehr verändert sich der Charakter des Tages. Die Enge der Schlucht weicht Hügeln, die sich unter einem weit aufspannen. Die Luft riecht nach Trockenheit und Kräutern, nach einem Land, das keine Eile kennt. Willkommen in der Provence.

 

provence - das reich der zwischentöne

Die Provence ist kein Ort, sie ist ein Zustand. Die Strassen ziehen sich endlos über sanfte Hügel. Herzige Dörfer tauchen auf, verschwinden wieder. Die Sonne steht mittlerweile hoch, wärmt ohne Rücksicht. Schatten sind selten, Tankstellen seltener.

Hier fährt man nicht gegen die Zeit. Hier fährt man gegen die Sonne.
Hier fährt man nicht gegen die Zeit. Hier fährt man gegen die Sonne.

 

Toni hat gelernt, zu dosieren. Der AUDAX Papi weiss, dass hier kein Ort für Heldennummern ist. Cap tief, Tritt gleichmässig, trinken bevor der Durst kommt. Die Déesse prüft hier nicht durch Pässe oder Hunde. Sie prüft durch Beharrlichkeit.

 

Die Stille dieser Gegend ist eigenartig intensiv. Man hört Grillen, Wind, ab und zu das ferne Tuckern eines Traktors. Kein Verkehr. Kein Applaus. Nur Asphalt, Licht und das eigene Surren.

 

valensole - das land des Lichts

Provence: Erfahrungen aus einer vorgängigen Rekotour
Provence: Erfahrungen aus einer vorgängigen Rekotour

 

Irgendwann öffnet sich die Landschaft wie ein Vorhang. Die Strasse kippt sanft abwärts und dort liegt es: Valensole. Das Plateau, welches im Sommer ein wogendes Meer aus Lavendel ist. Im September sind die Felder längst geerntet, doch der Duft liegt noch wie ein feiner Schleier in der Luft, als wolle die Provence sagen: "Du bist spät, aber willkommen."

 

Der Checkpoint selbst wird alles andere als spektakulär. Kein Schild, kein Applaus, keine Strava-Fanfaren. Nur der Wind, der flüstert und vielleicht, ganz vielleicht, der Fürst der Finsternis persönlich. Er steht da, unbewegt, als wäre er schon immer hier gewesen. Wer seine Sünden beichten will, darf sie ihm direkt in den Schoss legen: Wort für Wort, Kilometer für Kilometer. Doch Mitleid ist nicht Teil der Liturgie. Er hört zu, notiert nichts und lächelt kaum merklich. Denn der Fürst sammelt keine Tränen. Er sammelt Geschichten und Deine wird ab jetzt dazugehören.

 

Toni und der AUDAX Papi wechseln einen kurzen Blick. Wer hier ankommt, weiss: Der Löwenanteil liegt hinter einem. Doch der Weg ist noch nicht zu Ende. Die Déesse hat immer noch ein, zwei Prüfungen in der Hinterhand.

Ein Kreisel, ein Schwan und der stille Hinweis: Die Déesse ist nicht mehr so weit weg.
Ein Kreisel, ein Schwan und der stille Hinweis: Die Déesse ist nicht mehr so weit weg.

chapÈLLE SAINT-PHILOMÈNE - DER LETZTE CHECKPOINT vor dem ziel

Hinter Valensole zieht die Strasse weiter durch das Hinterland, kleine Dörfer, Olivenhaine, goldene Felder. Die Sonne steht jetzt tief, das Licht kippt ins Goldene. Die Provence wird stiller, fast sakral. Und dann taucht sie auf: die Chapèlle Sainte-Philomène. Klein, unscheinbar, an einer Wegkreuzung. Aber für das Höllenkommando, das diesen Weg fährt, hat sie eine besondere Bedeutung. Sie ist der letzte Checkpoint vor Cassis. Der Moment des Innehaltens, bevor der allerletzte Abschnitt ans Meer beginnt.

 

Die Randonneure steigen hier ab, stellen die Velos an die Tafel. Kein grosses Ritual, keine Kerzen. Aber in ihren Gesichtern liegt etwas, das man nicht ins Roadbook schreiben kann. Wer hier ankommt, ist innerlich schon auf dem Weg nach Cassis.

der letzte ritt durchs hinterland

Von hier führt die Route durch das südfranzösische Hinterland. Kleine Strassen, kaum Verkehr, das Licht wird weicher. Ein leichter Wind begleitet die Fahrer. Es ist, als würde die Déesse ihnen die Hand reichen und sagen:

 

"Du hast genug gekämpft. Jetzt fahr."

 

Die letzten Hügel sind keine Feinde mehr. Sie sind Weggefährten. Die Kilometer rollen. Toni, der an Tag 2 mit seinem Gepäck gehadert hat, tritt jetzt ruhig, fast tänzerisch. Der AUDAX Papi schaut nach vorne. Cassis ist zum Greifen nah.

 

Zuerst windet sich die Strasse noch einmal durch die Hügel, vorbei am Massif du Coudon, dessen Flanken in der Abendsonne leuchten. Ein letzter idyllischer Pass, ruhig, fast meditativ. Es ist, als wolle die Déesse den Auserwählten ein paar Minuten Frieden schenken, bevor sie das Meer freigibt.

 

die abfahrt ans meer

Die Abfahrt nach La Ciotat ist ein Geschenk: sagenhaft flowig, perfekt gezogene Kurven, griffiger Asphalt, kaum Verkehr. Man rauscht durch die Hänge, das Meer wird grösser, das Licht verschwindet. Unten tobt das Leben: Cafés, Stimmen, der Duft von Croissants und Meerwasser. Doch wer glaubt, dass das Ziel nun einfach vor einem liegt, irrt. Die letzte verkehrsfreie Rampe vor Cassis verlangt noch einmal alles. Der finale Anstieg schraubt sich aus La Ciotat hinauf, nicht lang, aber mit dem Charakter einer Bühne für Helden. Die Beine brennen, der Blick schweift über die Küste und irgendwo hinter der Anhöhe wartet Cassis.

Randonneur Hotel, irgendwo zwischen Cassis und La Ciotat. Kein Dach, keine Matte, kein Plan. Nur Morgenhimmel, Salzluft und der Verdacht, dass Glück manchmal einfach keine Unterlage braucht.
Randonneur Hotel, irgendwo zwischen Cassis und La Ciotat. Kein Dach, keine Matte, kein Plan. Nur Morgenhimmel, Salzluft und der Verdacht, dass Glück manchmal einfach keine Unterlage braucht.
Dort unten liegt Cassis. Am Ende ist jedes Brevet eine Liebeserlärung. Hier halt nur mit Salz statt Rosen.
Dort unten liegt Cassis. Am Ende ist jedes Brevet eine Liebeserlärung. Hier halt nur mit Salz statt Rosen.

 

Die letzten Kilometer ziehen sich in geschwungenen Linien durch die Hügel. Der Asphalt nach dem Anstieg wird wieder gut, die Abfahrt ins Ziel ist flüssig. Cassis liegt unten wie ein Versprechen, das eingelöst wird. Die Sonne steigt langsam über die Felsen, taucht Meer und Kalkstein in ein helles, stilles Licht. Die Luft riecht nach Salz, Hoffnung und Neubeginn.

 

Und dort, am Rand der Bucht, scheint die Déesse selbst zu warten: still, leuchtend, erhoben über Meer und Land. Wer hier hinabfährt, durchfährt kein Zielband. Er tritt ein. Nicht in ein Finish. In eine legendäre Geschichte.

Wer mit der Déesse kollaboriert, für den ist Paris greifbar nah.
Wer mit der Déesse kollaboriert, für den ist Paris greifbar nah.

epilog - die déesse ruft

Die Déesse spricht nicht laut. Sie ruft nicht mit Trompeten und Fanfaren. Sie flüstert. Und wer diesen Ruf hört, der weiss: Diese Strecke ist mehr als ein Brevet. Sie ist eine Pilgerfahrt.

 

Sie prüft nicht nur Beine. Sie prüft Geduld, Beharrlichkeit, Demut, Freude. Sie führt durch Landschaften, durch Licht, durch Dunkelheit und am Ende ans Meer.

Die Déesse ruft. Die Frage ist nur: Hörst Du zu?
Die Déesse ruft. Die Frage ist nur: Hörst Du zu?

 

 

 

 

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"Ich schenke keine Abkürzungen, aber Geschichten fürs Leben."

--- Die Déesse