von tifigontour
Vorbereitung
Zum dritten Mal in Folge soll das Brevet Alpenluft+ von Audax Suisse zu einem Saisonhighlight werden. 2016 habe ich mit dem heckgefederten Fujin meinen Brevet-Einstand gegeben, letztes Jahr habe ich das modifizierte Fujin SL2 über die Pässe gefahren. Heute wiegt das vollgepackte Velo (siehe unten) wahrscheinlich ziemlich genau 50% des Körpergewichts…
Die Strecke hat gegenüber den letzten Jahren auch geändert (neu): Südliches Bodenseeufer, Alpenrheintal, Oberalppass, Sustenpass, Grosse Scheidegg (optional),
Schallenberg, und Günzgen (D) sind dieses Jahr die Eckpunkte.
Der Plan ist natürlich, vorher noch beim Ziel am anderen Ende des Landes vorbeizuschauen und irgendwann später zurückzufahren. Körperlich (abgesehen von den letzten 24h vor dem Brevet),
mental und in Sachen Ausrüstung fühle ich mich wieder gut vorbereitet. Ungewiss ist, wie gut (nicht ob) ich das Velo über die Anstiege bringe.
... zum Start
Deutlich früher als sonst verlasse ich den Arbeitsplatz und lasse mich zum 50km vom Startort entfernt deponierten Velo chauffieren*.

Von den 40 Randonneuren auf der Startliste sind als ich eintreffe schon einige da. Nicht dabei sind leider alle „meine“ drei Hauptmitstreiter von 2016 und 2017 😦 .
Es gibt zwei Routen, welche sich zwischen Innertkirchen und Interlaken unterscheiden: „Flach“ entlang vom nördlichen Brienzerseeufer oder „bergig“ über die Grosse Scheidegg. Ich werde unterwegs entscheiden.
Ein Teller Bolognese findet seinen Weg in meinen Magen und bald geht es los…
Brevet Alpenluft+



Die ersten Tropfen fallen bald nachdem das südliche Rheinufer erreicht ist. Es gibt nicht viel Verkehr und so lässt sich schon einmal ein guter Zeitbuffer für die Berge aufbauen (…oder so..).
Auf dem nur wenige Km langen Bodenseeradwegstück zwischen Egnach und Arbon finden hunderte (gefühlt tausende) kleiner Insekten den Weg zum magischen Licht und so auch duch das Lüftungsloch des Gefährts und mein Bauch ist zuerst krabbelig und schwarz, dann eklig und schwarz. Ich freue mich sehnlichst auf die Dusche in Andermatt!

Notiz an mich: Ersten Kreisel in St.Margrethen das nächste Mal bei Nässe langsamer anfahren, sonst wird der Pneu-Verschleiss auf Dauer teuer.
Bei Widnau fallen mir die letzten Regentropfen ins Gesicht. Auf der Autobahnbrücke in Montlingen mache ich die erste Pause zwecks Visier- und Brillenreinigung. Denn jetzt folgen 40km auf dem
Rheindamm mit (wolkenverdecktem) Vollmond(=sehr gut organisiert, Audax Suisse!). Ich geniesse die Ruhe – zwei Velofahrer und ein Fussgänger begegnen mir auf der Fahrt bis Bad Ragaz.
Zwischen Chur und Felsberg probiere ich eine neue Route (@Audax Suisse: Super, mit dem VM allerdings grenzwertig wegen Schwellen und der engen Kurve gleich nach der Rheinbrücke) und bleibe in
Tamins gleich linksrheinisch: Die Rheinschlucht werde ich lichtbedingt schon nicht sehen und so entscheide ich, es sei der richtige Zeitpunkt, um einmal die Alternativroute auszuprobieren, zumal
auf dem Track von aufgerissenem Strassenbelag die Rede ist. Bergauf bin ich ca. 20′ auf der Hauptachse und mache dabei 1/4 des Verkehrsaufkommens aus. BTDT: Nächstes Mal fahre ich dennoch
wieder via Versam. Von wegen: Grosse Scheidegg mit dem Velo wird auch nach diesem Wochenende nicht BTDT sein.
Westlich von Ilanz ist nachts auf den Strassen nichts los. Bis zum Oberalppass werden es weniger als 10 Autos gewesen sein…
Irgendwo grinst mich ein leuchtender Smiley auf einer elektronischen Anzeige an, gefolgt von einer „39“ – soo steil kann es da nicht bergauf gehen.
Nicht wie erwartet bei der Rheinschlucht, sondern erst bei der ersten Serpentine auf 1800 m.ü.M. überholen mich B und C. Sie fahren mit doppelter Geschwindigkeit bergauf!


Nach Andermatt gehts dank Bremsschirm wie auch später durch die Schöllenenschlucht und zwischen Sustenpass und Gadmen ganz gemächlich – die paar Minuten machen auf die Distanz nicht viel aus…
In Andermatt erwartet uns der betreute Checkpoint. Zu meiner Enttäuschung ist das Lokal noch nicht offen (also keine Dusche/Warmwasserwaschgelegenheit! 😦 ). Im Van von Audax Suisse ist es immerhin schön warm und gesellig.
„Bis zu 15 Minuten Wartezeit“ sind an der Baustelle ausgangs Andermatt zu erwarten und so verlassen wir den Checkpoint zu zweit. Die Ampel schaltet gerade auf orange blinkend und schon
wenig nach Wassen kurble ich das Velo wieder alleine bergauf.

Ein paar hundert Meter schiebe ich das Velo auch. Das ist nicht wirklich langsamer und sorgt für andere Belastungszonen (Fussohlen!).


Die Fahrt südlich vom Flugplatz Meiringen und nördlich von Brienzersee und Thunersee läuft trotz teilweisem Gegenwind wieder ordentlich. Bei ?Meligen? überhole ich die beiden Vordersten. Während ich den Susten hoch und am Brienzersee entlanggebummelt bin, haben sie neben dem Sustenpass auch noch die Grosse Scheidegg bezwungen. Boah!

Nach(!) der BE-LU-Kantonsgrenze weht ein starker Gegenwind in der Abfahrt. Mit meinem Gefährt eigentlich ganz gemütlich (kühlt 🙂 ) aber ich bemittleide die beiden Gefährten, welche ich auf dem
Schallenberg bei meiner Ankunft gerade entschwinden gesehen habe.
Witzig: Beim Schreiben fällt mir die eingangs erwähnte Passage „nach Hause“ auf – der Gedanke kam mir während der Fahrt gar nicht.
Der Track führt über die Veloroute 24 durchs Entlebuch. Meiner Meinung nach keine velofahrerfreundliche Routenführung (so etwas gehört wenn schon auf die Veloroute 99…).


Der Kreisel in Wolhusen fährt sich seeehr schwammig: Platten vorne links. Ersatzreifen mit Ersatzschlauch montiert. Nix. Zweiten Ersatzschlauch eingesetzt. Mehr als 1 Bar geht nicht. Der nächste
Veloladen (Danke für das nette Gespräch und sorry für den Gestank, Tandem Schweiz AG) ist zum Glück nicht weit und mit einer neuen Pumpe im Gepäck
flitzt es sich gewohnt rasant entlang der kleinen Emme Richtung Luzern.
Die Stadt durchquere ich um 1700 und dementsprechend langsam.

Artig bremse ich in der kleinen Abfahrt in Meggen und mache (im Stand) ein Selfie vor dem Volg – der drittletzte Checkpoint.
Gemächlich das Sihltal hinabrollend staune ich über den Velofahrer (Schutzbleche, Rohloff, …), welcher doch erstaunlich lange in meinem Rückspiegel sichtbar bleibt.
Am Bahnhof Selnau sind wir vier Randonneure. Schon nach der zweiten Kreuzung sehe ich die anderen drei nicht mehr – passive Fahrweise, schwere Beine und ein schweres Velo sind nicht gerade ideal
um innerstädtisch mit Rennvelofahrern mitzuhalten.
Irgendwo in meinem Gedächtnis ist die Erinnerung an einen Brunnen beim ersten Gebäude links auf der Panzerpiste – tatsächlich steht der auch 15 Jahre später immer noch da 🙂
Entlang der Glatt macht einfach immer wieder Spass.
Genau dort auf dem Rheinwehr, wo ich das Velo von Hand umsetzen muss, stehen amerikanische Touristen (ob die den Rheinfall gesucht haben?).
Ein Potschn, wie es B so schön sagt, ist der Grund, weshalb ich in Rafz die drei in Zürich zuletzt Gesehenen wieder antreffe. Eine gemeinsame Weiterfahrt ergibt sich nicht – sie sind mir zu schnell…

Heimfahrt
Die in Andermatt verpasste Bündner Gerstensuppe schmeckt auch 24h später noch genauso gut. Merci!
Das Velo deponiere ich wieder 45km vom Ziel entfernt.
Durch eine kleine Unachtsamkeit (Hausschlüssel im Velo liegenlassen) fahre ich am Nachmittag noch 3x statt wie geplant 1x durch die Schweiz – inkl. Zugsausfall und mit viel Schlaf. Wäre ich
direkt mit dem Velo gefahren, wäre ich sicher früher zu Hause gewesen…
Notizen am Rande
Die Pläne und Vorsätze waren (teilweise erfüllt):
- 600km in 40h. Keinen Checkpoint verpassen.
- Nicht bis zur Sekundenschlafgrenze fahren.
- Die folgenden Aufstiege und anschliessenden Abfahrten gemütlich angehen: Rheinschlucht, Oberalp, Susten, ev. Grosse Scheidegg, Schallenberg, nach Schangnau, nach Hasle.
- Ebenso die Stadtdurchfahrten: Stein a.Rh, Interlaken, Thun, Luzern, Zug, Zürich, Schaffhausen.
- Beim Rheinfall und ggf auch sonst ein paar Meter bergauf stossen.
- Standzeit bei Tageslicht reduzieren und/oder sinnvoller nutzen als letztes Jahr.
- Entscheid Grosse Scheidegg
Ja/Nein unterwegs treffen.
*Während der Hinreise suche ich mir die Öffnungszeiten von ein paar voraussichtlich am Freitagabend zu passierenden Dorfläden heraus. Die vom Organisator veröffentlichte Marschtabelle ohne Berücksichtigung vom sehr ungleichmässigen Höhenprofil ist mir doch etwas zu ungenau und so erstelle ich mir pro Route (mit/ohne Grosse Scheidegg) je eine eigene Marschtabelle aufgrund von Distanz und Höhenmeter (nur obengenannte Hauptsteigungen, sonst könnte das nicht mehr in vernünftiger Zeit mit Tabellenkalkulation gemacht werden). Mit 30km/h angenommener Bruttodurchschnittsgeschwindigkeit im Flachen und 400 Hm/h Steigleistung (beides für mit dem Wäschpi realistisch angenommene Werte) ergäbe sich eine Ankunftszeit um 02:30. Bei angepeilter Ankunft um 11:00 ist also eine Flach-Geschwindigkeit von 23.4 km/h und Steigleistung von 312 Hm/h erforderlich – auch mit dem schweren Velo machbar. Das gewählte Berechnungsmodell mag zwar genauer sein als ohne Höhenmeterberücksichtigung, enthält im Gegenzug aber gleich mehrere systematische Fehler…
Packliste
Kleider: 1 Paar Socken, 1 Paar Veloschuhe, 1 Unterhose, 1 lose Laufhose, 1 Wollshirt, 1 Warnweste, 1 Daunengilet, 1(!) Velohandschuh, 1 Brille, 1 Helm/Sonnenbrille,
2 Buff.
Zusätzlich gegen die Elemente: Velo, Schlafsack, Rettungsdecke, Sonnencreme.
kursiv=nicht zum fahren
Verpflegung beim Start (für NonStop bis Disentis): 3l Flüssigkeit, Riegel, Eisteepulver, je 1 Packung Cashewnüsse, Petit Beurre, Birrenweggenstücke, Bananenchips.
Elektronik: Akkus für 40h Velolicht, GPSr und Ersatzakkus, Handy, Kamera, Dashcam, Kopfhörer, Hutzenlicht.
Werkzeug: Wie immer (dazu gehören für manchen Leser vielleicht ungewohnte Dinge wie 2 Ersatzpneus (1 pro Felgengrösse), 1 Einmachglasdichtgummi, 1 laaanger Inbus und ein laaanger Schaltzug), Stirnlampe.
Sonstiges: Portemonnaie, Zahnbürste/-paste, Deo, Duschmittel, WC-Papier, Bepanten, Duschtuch, Schloss, Bremsschirm, Zeitplan (siehe erstes Foto), Glücksbringer.
